Gnossienne Nr. 1 von E.Satie in meiner Bearbeitung für Synthesizer:

Gnosienne Nr.1- eins der vielen Kinder der Weltausstellung 1889 in Paris

 

mein Beitrag zum Satiejahr 2016 (150. Geburtstag von Erik Satie)

Die Gnosienne Nr. 1 ist eins der bekanntesten Stücke der Musikgeschichte. Für viele unbekannt ist ihre Entstehung und die Umstände die Satie dazu brachten diese kleinen „fremdartigen“ Stücke mit den Namen Gymnopedie und Gnosienne Nr. 1-6 zu schreiben.

Ausgangspunkt ist am Ende des 19. Jh. ein Europa im Umbruch: die Welt ist mittels Kolonialisierung und Handel längst global geworden und die Erfindung der Dampfmaschine hat die Produktion grundlegend verändert. Es wächst langsam aber sicher eine Industriegesellschaft heran. Gleichzeitig haben die neuen Erkenntnisse in der Archäologie eine Faszination des antiken, „der verlorenen Welt“ mitgebracht, die in der Suche nach „dem fremden“ gipfelt. Orientalismen in Architektur und Kunst, ägyptischer Styl im Möbeldesign und Art Decó nebst Jugendstil beginnen nachhaltig althergebrachte Formen und Stile aufzulösen.
Kreative Künstler- allen voran Debussy und Satie, von den Malern ganz zu schweigen, ließ das nicht unberührt. Das entscheidende Ereignis hierbei ist DIE Weltausstellung 1889 in Paris.

„Intendant“ war Jean-Charles Alphand, ein ehemaliger Mitarbeiter von Georges-Eugène Haussmann, dem leitenden Ingenieur der Stadt Paris. Die Vorstellung von Edisons „Phonographen“, Automobilen und -Motoren seien stellvertretend genannt für die Bedeutung dieser Ausstellung in Bezug auf eine die Zukunft veränderte Gesellschaft. Der Eiffelturm wurde extra für diese Weltausstellung errichtet!  Die „Galerie des Machines“ eine kathedralhafte Maschinenhalle, beeindruckte Menschen und Künstler ähnlich, wie heutzutage eine Ausstellung der neusten IT-Technik.
Gleichzeitig wurden bei der Ausstellung erstmal umfassend archäölogische Artefakte zugänglich gemacht: Der berühmte Maya- Kalenderstein ebenso, wie ägyptische Obelisken und Tempelartefakte. Zum ersten Mal traten indische Tempeltänzerinnen und javanische Gamelanorchester in Europa auf. Letzters beeidruckte Debussy so, daß er bestimmte Kompositionstechniken davon gleich in sein Ouvre aufnahm.
All das war prägend für Satie, der nun begann nicht nur die normale abendländische Harmonik zu verlassen, sondern auch - aufgrund der Faszination der dort gezeigten „Moderne“- Genre entwickelte, die er z.B. „Möbelmusik“ nannte. Hintergrundmusik die einfach „da“ ist. Besonders die Skalen der orientalischen Musik inspirierten ihn- das findet seinen Niederschlag 1:1 in der Gnosienne Nr.1 die den außereuropäischen Einfluss deutlich hörbar werden läßt.

Spinnt man nun den Faden dieser Entstehungsgeschichte weiter, denkt sich hinein in die -damals erstmals in Europa auf der Weltausstellung zu Gehör gebrachten - Minimalstrukturen und Pattern, sinniert über die Ähnlichkeit zu  Maschinenrhythmen, so landet man zwangsläufig bei Formen heutiger elektronischer Musik bis hin zu Trance und Techno, die genau diese Verbindung zwischen musikalischer Idee und Maschine hörbar machen und daß, was damals durch klassische Komponisten gleichsam nur angedeutet wurde, heute zum Grundbaustein vieler Stücke werden läßt.

Hier schlägt meine Fassung der Gnossienne den Brückenbogen, indem sie heutige elektronische Musizierpraxis mit dem „Originalmaterial“ aus der Zeit der Anfänge verbindet und eine Facette hervorbringt, die Satie evtl. geträumt hat, aber erst spätere Komponisten konsequent umsetzten. Strawinsky behalf sich seinerzeit mit Musikautomaten, Simeon ten Holt ließ alles live spielen (ein Konzentrationsmarathon für jeden Musiker!) und erst die „Berliner Schule“ der elektronischen Musik (Tangerine Dream, Klaus Schulze) machte den Weg frei zu einer für heutige Hörer fast schon „normal“ klingenden Art der Komposition oder Konstruktion der Stücke, die für Künstler wie Nils Frahm, Olafur Arnalds oder Hauschka ganz selbstverständlich ist.

Gnossienne Nr.1 als Version für Synthesizer (Moog und Prophet12) in einem minimal/pattern-strukturiertem Klanggewand. Konzipiert und entwickelt für ein Konzert mit EINSTEIN von Matthias Zeller, produziert by OMARA.